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Ver-rückte wElt

Ein Tag in Irrland

„Es ist eine seltsame Zeit.“ Das konnte man sicher zu jeder Zeit sagen.
Die Computer haben das Bewußtsein in eine neue Welt gestoßen. Neben der faktischen Welt, die leicht zu erfahren ist – Du kannst gegen einen Baum rennen und er beweist dir holzhart seine Wirklichkeit; ist eine urbane Dimension, von der Moderne hinzugefügt, die mit Beton und Glas den Lebensraum aufräumt, schafft eine menschengeformte Umwelt. Daneben ist eine digitale Ebene getreten.
Zur Zeit meiner Jugend, in den 1970er Jahren, war der Computer etwas für Wissenschaftler, Militärs und verrückten Mathematikern, die 0en und 1en mit logischen Regeln sortierten. In den 1980er Jahren kam diese Technik in den Haushalten an und wurde zuerst via Telefonleitung, dann durch echtes Netzwerk mit anderen Rechnern verbunden. Aber immer noch war es eine Technik, die von Nerds genutzt wurde. So nennt man die digitalen Zauberer der Moderne, die mit einfachen Zeichen Spiele und Phantasiewelten auf dem Computer erschufen und bevölkerten.
Eine Generation die sich nach und nach in diesem modernen Medium einrichtete, bis es ein Massenphänomen wurde, dieser Cyberspace.
Mit der Masse kam der Kommerz. Das Netzwerk wurde nicht nur zum Austausch von Programmen und zur Diskussion darüber genutzt, sondern verlor, nach und nach, den digitalen Raum an die Werbung und den Handel. Mit dem Aufkommen von Browsern zum Wandern im Netzwerk und einer wachsenden Anzahl an Webseiten, verloren die akademischen Wissenssammlungen und deren Foren an Bedeutung. Und mit den pseudosozialen Angeboten von Google und Meta wurde das Internet dann endgültig vom Kapitalismus eingenommen.
Datenunternehmen wuchsen über nationale Organisationen hinaus und regieren heute den Globus. Eine Machtposition, von der Staatenlenker der vergangenen Jahrhunderte nur träumen konnten, die Techgiganten haben sie heute verwirklicht. Keine nationale Wirtschaft ist ohne sie heute noch existenzfähig.

LLMs machen die Wirklichkeit obsolet

Zu Beginn des 2. Jahrtausend in unserem Kalender hieß es noch: Ohne Foto ist es nicht geschehen. Die Menschen gibt es schon rund 35000 Jahre, doch in Europa haben die Römer erst die Grundlage für unsere heutige Zivilisation gelegt und als Referenz auf ihre ordentliches Wirken, hat es den Anführern in den letzten Jahrhunderten gefallen unseren Kalender mit ihnen zu beginnen.
In den 20ern des neuen Jahrtausends also hat die KI das Regiment übernommen und uns die Wahrheit endgültig ruiniert. Was hundert Jahre früher noch als Dada und Surrealismus eine kritische Bewegung zur Realität war, ist nun der Brei der uns die Sinne betäubt.

Das Soziale bleibt auf der Strecke

Das wirklich bedauernswerte ist der Zustand unserer städtischen Lebenswelt. In der Stadt ist der Raum in dem sich Menschen ohne Konsum begegnen können rar geworden. Für alles muß man Eintritt zahlen oder zumindest etwas konsumieren. In meiner Jugend trafen sich die Menschen noch auf Wochenmärkten zum Gespräch. Heute gibt es diese Märkte nicht mehr. Man traf sich in Parks und an Parkbänken, die auch an kleinen Wiesen zu finden waren und lernte Menschen kennen. Diese Orte sucht man heute lange und dann sind sie meist von Müll und Unrat verziert. In dem Stadtteil in dem ich seit 17 Jahren lebe, ist selbst die Kirche verschlossen und wird nur noch einmal im Monat von einer schrumpfenden Gemeinde genutzt.

Die Zahl der Autos ist ebenso gewachsen, wie die Größe der Fahrzeuge. Der Straßenraum wird mehr und mehr zu einem Kampfplatz zwischen Rad und KFZ. Lieferdienste und Wildparker verstopfen regelmäßig die Straßen. Bahn und Bus haben kaum noch eine Chance ohne Störungen ihre Kurse zu absolvieren. Selbst der kleinste Gehweg wird noch von Werbetafeln und Auslagen weiter verengt. Und wenn man eines sicher weiß, es gibt keinen barrierefreie Wege mehr in der City.
Und während sich die Stadt mit Opernbau, U-Bahnbau und wachsendem Sanierungsbedarf öffentlicher Bauten selbst ruiniert. Werden dringende soziale Probleme dem Ehrenamt überlassen oder ignoriert. Selbst das regelmäßige öffentliche Besäufnis ist ohne teure Sicherungsmaßnahmen, Polizei und Ordnungsamt nicht mehr möglich.
Da man die Probleme nicht lösen kann, werden einfach mehr Strafzettel verteilt und Gebühren erhöht – die Stadt braucht das Geld.
Den Wohnraum überlässt man Spekulanten, statt sich um soziale Entwicklung und lebenswürdige Umstände zu kümmern. Die Innenstädte sterben aus und Obdachlose und Hilflose werden vertrieben, statt wirksame Hilfe anzubieten.
Die Politik versteckt sich hinter der Verwaltung und die Verwaltung hinter der Politik!
Bürgerbeteiligung und echtes Engagement werden als störende Einmischung in die herrschenden Verhältnisse bekämpft. Das einzig sichere ist, dass wieder alte Männer vollmundige Versprechen über eine kommende Zukunft abgeben, die leider nie kommen wird. Während die nächste Schule zusammenbricht und man Senioren dem einsamen Sterben im Wohnkarton überlässt. Auf dem Friedhof ist aber auch schon lange kein Platz mehr zu bekommen.

Widerstand ist zwecklos!‘, denn auch er bleibt ein Lippenbekenntnis. Der einzige wirksame Widerstand wäre Boykott, doch dazu ist der Deutsche nicht mehr fähig. Er schimpft im ‚Sozialen Netzwerk‘, kauft aber weiterhin seine Cola in der Plastikflasche und bereitet seine Altersgebrechen mit Essen von der Fastfoodkette vor – den Müll lässt er natürlich auf der Straße, da wird sich schon jemand kümmern.

Die ‚Fans‘ beschweren sich über Dienstags, Mittwochs und Donnerstagsspiele – beklagen seitenlang die Zerstörung des Spieltags und doch sind an diesen Tagen die Stadien ausverkauft.

So bleibt zum Abschluss nur festzustellen, die Glaubwürdigkeit ist leider gestorben.